Von der steinernen Jungfrau
Lassen Sie es sich erzählen, aber es wird traurig. Schrecklich. Jedes Herz würde bei dieser Geschichte erstarren. Als ich es das erste Mal hörte, heulte ich wie ein Schlosshund.
Einst lebte in Brünn ein schönes Mädchen namens Johanna. Sie war eine Vollwaise, und deshalb kümmerte sich einer der Ratsherren um sie. Sie arbeitete mehrere Jahre als Dienstmädchen in seinem Haus. Der Ratsherr war noch einigermaßen nett zu ihr, aber mit seiner Frau war es schlimmer. Das war ein schreckliches Frauenzimmer. Sie scheuchte Johanna herum, wann immer sie konnte. Stets war es das gleiche: geh dorthin, tu dies, bring das. Und nie war sie zufrieden.
Als der Stadtrat starb, entschied die Frau, dass sie das unglückliche Mädchen nicht mehr im Haus haben wollte. Deshalb suchte sie ihr einen Bräutigam aus. Natürlich einen alten Bastard, so hässlich, dass die anderen Mädchen einen großen Bogen um ihn machten. Johanna wollte ihn nicht zum Bräutigam, obwohl sie wusste, dass es die Hölle auf Erden werden würde. Sie war nämlich in einen Jungen aus der Nachbarschaft verliebt. Aber was konnte das arme Waisenkind bieten?
Die Mutter des Burschen, also ihre potentielle Schwiegermutter, mochte Johanna ebenso wenig wie die Witwe des Ratsherrn. Die beiden alten Frauen einigten sich darauf, das Mädchen der Hexerei zu bezichtigen. Der Ratsherr sei sicher nicht einfach so gestorben. Er sei von ihr verhext worden. Sie gingen mit ihren Beschuldigungen zum Rathaus und die Ratsherren, naja, Männer, was kann man auch anderes erwarten, schickten Soldaten zu Johanna. Sie trafen auf sie, als diese gerade Wasser aus dem Brunnen holte. Johanna hörte sich die Anschuldigungen an, und dass sie unter Folter gestehen würde. Als sie ihr Unglück erkannte, sprang sie in den Brunnen, wo sie ertrank.
Sie wird heute die steinerne Jungfrau genannt, weil Johannas Bursche im Angedenken an sie eine Statue von ihr anfertigen ließ, die sich noch heute in dem Haus befindet.